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Coswiger Truhenorgel-Projekt #01 - Abholung & Bestandsaufnahme

Die aktuelle Situation:

Die Arbeit als Kirchenmusiker ist von der Grundanlage her eine sehr vielfältige. Dies bezieht sich sowohl auf die breit gefächerten Arbeitsgebiete als auch auf die damit verbundenen, manchmal unvorhersehbaren Ereignisse. Die Ziele ebendieser Ereignisse können noch so gut im Voraus geplant sein, ist man sich dann doch häufig darüber im unklaren, wann es zu deren Umsetzung kommt.

 

Zu einer der schönsten und zugleich spannendsten Projekte dieses Berufs gehört die Anschaffung oder Planung einer neuen Orgel. Egal ob es sich hierbei um die Sanierung der hauseigenen Hauptorgel handelt oder um die Erweiterung des allgemeinen Instrumentenbestandes (beispielsweise durch eine Truhenorgel oder ähnliches).

Nun sind die mir in meiner derzeitigen Arbeitsstelle zur Verfügung stehenden Instrumente ja in bestem Zustand, wurden vor nicht allzu langer Zeit restauriert, überholt oder sogar neu gebaut.

Dennoch hat ein (zugegebenermaßen) sehr kurzfristiges Ereignis dafür gesorgt, dass ein solches Orgel-Projekt nun im Raum (in diesem Fall: im Keller) steht.

 

Seit einiger Zeit bin ich auf der Suche nach einer geeigneten Kleinorgel für die Coswiger Peter-Pauls-Kirche. Es sollte sich hierbei um ein Instrument handeln, das beispielsweise zu Kantaten-Aufführungen oder sonstigen Konzert-Aktivitäten im Altarraum zum Einsatz kommen kann. Zwar erfolgte bereits ein Konzert, bei dem Chor, Solisten & Orchester im Altarraum zusammen mit der großen Hauptorgel musizierten, doch fehlt bei bestimmten Werken oder Besetzungskombinationen dann doch ein kleineres Instrument im vorderen Teil der Kirche.

 

Neben dem nicht ganz unwesentlichem Finanzfaktor (neugebaute Instrumente kamen per se nicht in Frage) spielte auch noch die Klangästhetik eine wichtige Rolle: die Kleinorgel sollte nicht, wie die heute üblich gewordenen Truhen-Orgel, "von der Stange" kommen, da diese, abgesehen von ihrer absolut unhistorischen Bauweise, auch nicht über das notwendige Klangvolumen verfügen. Mit Verlaub: eine Truhenorgel, die nur ab und zu dumpf im Hintergrund rauschend zu hören ist, bringt dem eigentlichen Klanggenuss nur verhältnismäßig wenig Zugewinn. So waren Instrumente im Fokus, die ausreichend groß dimensioniert waren (und trotzdem portabel), möglichst viel Pfeifenmaterial aus Metall besaßen und zudem durchhörbar intoniert/disponiert waren.

 

Der überraschende Internet-Fund:

In einer ruhigen Minute begab ich mich im Internet wieder einmal auf die spontane Suche nach einer gebrauchten Truhenorgel. Hierbei wurden verschiedene Portale genutzt. Google ganz allgemein, Ebay, Instrumente Ladach...und eben auch Ebay Kleinanzeigen. Nach der Erweiterung des Suchradius stieß ich auf ein Angebot, welches sofort meine Aufmerksamkeit auf sich zog: verkauft wurden die "Innereien" einer größeren Truhenorgel aus dem Jahre 1975 mit vier Registern. Im Angebot enthalten waren Gebläse, Gleichrichter, Windlade, sämtliches Pfeifenmaterial, Elektrik, Ventilmagnete, Klaviatur und zwei Notenständer. Das originale Gehäuse wurde demontiert und entsorgt, da das Material ursprünglich der Erweiterung der Hausorgel des Verkäufers dienen sollte, ein Projekt, welches aber nun nicht mehr in der Art und Weise realisiert werden konnte. So wurden die Teile veräußert. Zu meiner großen Freude! Nach einiger Begutachtung und detailliertem Austausch und so mancher Abwägung fiel die Entscheidung: ich kaufe das Material an und baue daraus eine Truhenorgel! Diese Möglichkeit konnte ich mir nicht entgehen lassen. Mir war der damit verbundene Arbeitsaufwand durchaus bewusst, doch ich nahm die Herausforderung gerne an.

 

11,5 Stunden Autofahrt quer durch Deutschland:

Nachdem alle Details abgesprochen waren, wurde ein Transporter angemietet und der Tagesausflug konnte starten. Die Orgelteile befanden sich (leider) nicht in der Nachbarstadt, sondern etwas hinter Koblenz. Nicht gerade eine kurze Strecke, doch es blieben wenige Alternativen. Nach erfolgreicher Anreise wurden alle Orgelteile sorgfältig in den Transporter geladen und wir waren alle erstaunt, wie passgenau sich alles verstauen ließ. Fast, als wäre der Innenraum genau für diese Orgel konzipiert worden. Nach einer kurzen Verschnaufpause und einem Kaffee ging es dann wieder zurück. Schließlich musste der gemietete Bus spätestens am nächsten Morgen wieder auf seinem Parkplatz stehen. Als wir (nach einem mittelmäßig großen Stau und der damit verbundenen Verzögerung) anschließend wieder in Coswig eingetroffen sind, mussten sämtliche Teile aus dem Transporter ausgeladen und in den extra hierfür freigeräumten Bereich in den Räumlichkeiten der Kirchgemeinde getragen werden. Dieser Bereich wird fortan als Arbeitsfläche oder "kleine Werkstatt" dienen. Das schwerste Teil, die Windlade, wurde am nächsten Tag mit vereinten Kräften an seinen Ort getragen.

 

Bestandsaufnahme:

Alle Teile und Materialien sind in einem guten Zustand. In der kommenden Zeit muss nun alles detailliert begutachtet, dokumentiert und vorgeplant werden. Den Hauptteil der Arbeiten werde ich hierbei selbst übernehmen, da ich sowohl handwerklich als auch technisch recht gut aufgestellt bin und auch einige Erfahrungen im Bereich des Instrumentenbaus (durch Kurse, Seminare, eigene Restaurierungen, persönliches Interesse und Wissensvermittlung durch Familienmitglieder) aufweisen kann. Am Instrument finden sich einige spannende Eigenheiten, die man mit Sicherheit in keiner Truhenorgel der heutigen Zeit mehr antreffen würde. Ein besonders herausstechendes Merkmal ist die vollständig elektrische Tontraktur sowie die elektro-pneumatische (!) Registertraktur. Hinzu kommt das neobarock angelegte Pfeifenmaterial mit obertonreichem Klang, aber dennoch angenehm großer Mensur. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Instrument verhältnismäßig groß gewesen sein muss. An manchen Stellen erkennt man jedoch, dass, teilweise auf etwas dilettantische Weise, Umbauten oder Erweiterungen stattgefunden haben, welche die Funktionalität des eigentlichen Instrumentes zum Glück nicht beeinflussen. Gemäß dem Motto "Naja, es ist ja alles im Gehäuse, man sieht es ja nicht..." finden sich dann doch einige unschöne, handwerklich rustikal ausgeführte Arbeiten, die man aber problemlos ausbessern kann. Die größte Arbeit wird in der Anfertigung eines neuen Gehäuses liegen. Diese Aufgabe werde ich aber einem hiesigen Möbeltischler überlassen, mit dem ich dann in detaillierter Absprache meine Vorstellungen und Wünsche umsetzen kann. Eine tolle Sache hierbei: ich kann frei über das Äußere der Orgel bestimmen! Wann hat man diese Gelegenheit schonmal?

 

Was muss gemacht werden? - ToDo:

- alle Teile reinigen

- Holzkonstruktion überprüfen und "Heimwerker-Anbauten" entfernen/verbessern

- bewegliche Teile überprüfen und ggf. wieder gangbar machen

- Filze, Leder etc. überprüfen und ggf. tauschen bzw. abdichten

- Schaltplan erstellen

- gesamte Elektrik (Kabelbaum, Zuleitungen, Lötstellen) erneuern, ggf. optimieren

- neues Gehäuse konstruieren und bauen lassen

- Pfeifenmaterial reinigen, einsetzen, stimmen und ggf. Intonationsunterschiede ausgleichen (lassen)

 

Data-Sheet:

- Baujahr 1975

- Orgelbauer unbekannt, vermutlich aus der Region um Frankfurt a.M.

- Disposition: Gedackt 8' (unteren beiden Okt. aus Holz, sonst Metall), Rohrflöte 4' (Metall), Prinzipal 2' (Metall), Quint 1 1/3' (Metall)

- Tontraktur: Elektrisch

- Registertraktur: Elektro-pneumatisch

- Lade: Schleiflade

- Spannung Traktur: 14V Gleichspannung

- Orgelmotor: Ventola

- elektr. Bauteile von Laukhuff

 

"Sehr süß muss sein der Orgel Klang, süß über allen Vogelsang."

Ich freue mich riesig, dieses Projekt nun anzugehen. Es wird sicherlich viel Zeit und Nerven kosten, doch ich bin der festen Überzeugung, dass alles gut machbar und umsetzbar erscheint. Der Vorteil ist, dass es kein festgelegtes Datum gibt, zu welchem das Instrument fertig sein soll. So kann die Arbeit in Ruhe und unter wenig Stress geschehen, was der Gesamtqualität der Orgel zugute kommen wird. Am Ende wird ein neues altes Instrument stehen, dass bei vielen verschiedenen Einsätzen erklingen und den Zuhörenden und Ausführenden (hoffentlich) viel Freude bereiten wird. In diesem Blog halte ich Sie auf dem Laufenden und informiere Sie über die Fortschritte.

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Kommentare: 2
  • #1

    Matthias Gabel (Sonntag, 31 Dezember 2023)

    Hallo Herr Sacher, viel Erfolg bei dieser spannenden und sicherlich auch sehr lehrreichen Aufgabe, man wird durch so etwas ja auch nicht dümmer. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie alles Gute für 2024.

  • #2

    Friedrich Sacher (Sonntag, 31 Dezember 2023 21:23)

    @Matthias Gabel - #1
    Vielen lieben Dank! Das stimmt absolut. Man kann sehr viel lernen, ausprobieren und vor allem auch nachvollziehen, wie damals gearbeitet wurde.

    Das wünsche ich Ihnen ebenfalls und freue mich auch über Updates zu Ihrem spannenden Orgelprojekt!

    Herzliche Grüße,
    Friedrich Sacher.