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Reformationskonzert des Heinrich-Schütz-Kreises Dresden

Das Musikleben ist ein reichhaltiges und veränderliches und hängt keineswegs statisch an Gewohnheiten fest. Heute sind wir es gewohnt, die sogenannte Alte Musik in historisch informierter Aufführungspraxis zu hören. Was keineswegs bedeutet, daß es dann so klingt wie bei Zelenka, Bach oder Schütz – schließlich kann das niemand bestimmt sagen. Aber es ist eine immerhin Annäherung. Und sie ist veränderlich – noch vor wenigen Jahren klang »historisch informiert« anders, heute nehmen selbst romantisch geprägte Sinfonieorchester Rücksicht auf die Aufführungspraxis.

Das Streben nach Authentizität und Echtheit schließt aber neue Wege keinesfalls aus. Oder sind es »alte«? Der Heinrich-Schütz-Kreis um Friedrich Sacher besinnt sich auf ein uraltes und bewährtes Mittel der Kirchenmusikpraxis: pragmatisch einzusetzen, was zur Verfügung steht, war schon früher eine Maxime. Und so erklang das Reformationskonzert am Mittwoch in der Dresdner Annenkirche nicht im Bestreben nach Echtheit, sondern war ein Spiegel der Auseinandersetzung mit der Musik. Das elfköpfige Sängerensemble wurde von Harmonium, Violoncello und Kontrabaß begleitet – in der Tat ungewohnt. Dabei war das Harmonium einmal ein beliebtes Begleitinstrument und eine Alternative zur Orgel.

An die neue Besetzung mußte man sich also erst gewöhnen, auch, weil die Rollen etwas andere waren. Statt des üblichen Basso continuo mit Orgel oder Cembalo zwei tiefe Streichinstrumente – das sorgte in der Tat für andere Betonungen. Jan Arvid Prée spielte das Harmonium mit Bedacht und Zurückhaltung, so daß sich die Musik ganz auf den Chor und das gesungene Wort konzentrierte, was dem Anlaß mehr als Genüge tat.

Den Beginn markierte zunächst Wilhelm Rudnicks Orgelphantasie zu vier Händen und vier Füßen über den Luther-Choral »Ein‘ feste Burg ist unser Gott«, die Friedrich Sacher und Jan Arvid Prée (beide übrigens auch als Komponisten aktiv) stimmgewaltig in Szene setzten – Stück und Komponist sind heute kaum bekannt, waren aber ein merklicher »Weckruf«.

Mit der »Deutschen Messe« (Text: Johann Spangenberg) aus »Geistlichen Gesängen« Heinrich Schütz‘ und Johannes Eccards Vertonung »Verleih uns Frieden gnädiglich« bezog sich das Programm direkt auf die Reformation und den Reformator Martin Luther. Das kleine Ensemble legte sehr viel Wert auf Wortverständlichkeit und Betonung wie der feierlichen Hervorhebung von »O Jesu, Gottes Sohn, unser Mittler bist in dem höchsten Thron, zu dir schreien wir aus Herzens Begier, eleison«, wofür die Homogenität manchmal weniger wichtig schien. Andererseits wirkten gerade die individuellen Stimmen, vor allem das helle Leuchten der Soprane, besonders vermittelnd und – authentisch.

Besonders innig gerieten die à capella vorgetragenen Werke, wie Oskar Wermanns »Birg mich unter deinen Flügeln« sowie das »Nachtlied« nach einem Text Friedrich Spees, eine Komposition des Leiters Friedrich Sacher. Hier nun bekam das Konzert, passend zur Vesper-Stunde, einen kontemplativen Fürbitt-Charakter, den auch Lupus Hellingks »Ach, Vater unser« betonte.

Mit Josef Gabriel Rheinbergers »Abendlied« und – als Wechselgesang mit der Gemeinde – Hinunter ist der Sonne Schein fand der Abend seinen musikalischen Abschluß.

1. November 2018, Wolfram Quellmalz

Das nächste Konzert der Reihe findet am 24. März 2019 statt. Weitere Informationen unter: https://www.heinrich-schuetz-kreis-dresden.de/

Quelle:

Neue (musikalische) Blätter - Journal für klassische Musik, Literatur und Theater

https://neuemusikalischeblaetter.wordpress.com/2018/11/01/neu-hoeren/

[Abrufdatum: 02.11.2018]